Foto: Dominic Reichenbach |
Dass man das neue Programm von Mathias Tretter
gesehen haben muss, ist ja keine Frage. Darum
gleich mal eine andere: Erinnern Sie sich an den
herrlichen Satz „Der ist bei der Sitte“? Kein
ernstzunehmender Krimi kam früher ohne sie aus:
die Sitte. Ein beherzt verlebter Polizist in Zivil, der
zur Lösung eines Falles nicht das Geringste
beitrug, sich aber derart ölig an eine Theke
schmierte, als würde er selbst keine Perversion je
verschmähen.
Diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen sind
Hunderttausende bei der Sitte, und das ganz ohne
Krimi und Polizei, ja meist gar ohne Sex. Nicht
mehr lange, und die Moral wird in Deutschland
genauso gut bewacht wie bei den Chinesen. Noch
fehlt uns deren Sozialpunktesystem, dafür haben
wir Twitter. Was in China die Diktatur erledigt,übernimmt hier der Mob. Dort digitale Aufrüstung,
hier Entrüstung.
Welch ein fantastisches Klima für Satire! Das meint
zumindest Tretter, der sein Glück kaum fassen
mag: „Ich war immer neidisch auf Komiker in
Diktaturen – wenn jeder Witz dein letzter sein kann,
fühlst du dich gebraucht. Soweit ist es zwar noch
nicht; aber die schiere Anzahl ehrenamtlicher
Bedenkenträger, die wir schon haben, zeigt doch:
Selten war ein Strolch so notwendig wie heute!“
Man ahnt: Das kann ja heiter werden – so sehr,
dass danach wieder getwittert wird. Oder nochmal
Tretter: „Sittenstrolch, mein siebtes Solo. Das erste
mit Humor.“ |