Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke gastierte bereits zum neunten Mal in Windeck. Foto: Sylvia Schmidt

 

Den Scheinwerfer auf die
Demokratie gerichtet

 

Kabarettist Frank Lüdecke war der Einladung des Matineeverein Herchen gefolgt


 

Rhein-Sieg-Anzeiger vom 11.12.2023 - VON SYLVIA SCHMIDT


Windeck - „Das Falsche muss nicht immer richtig sein“, ja, da kann man schon ins Grübeln kommen. Eine andere Möglichkeit ist, sich direkt vom zuständigen Experten einweisen zu lassen. In dem Fall von Frank Lüdecke, der mit eben diesem Kabarettprogramm auf Einladung vom Matineeverein Herchen im Haus des Gastes gründlich analysierte politische Einsichten aus der Bundeshauptstadt mitbrachte.
Er sitzt also quasi an der Quelle, das empfiehlt sich auch, denn seit 2019 ist er Betreiber und Künstlerischer Leiter des ältesten Berliner Kabaretts, der „Stachelschweine“. Mit politischen Nachrichten wolle er aber nicht in den Abend starten, damit die Stimmung nicht gleich in den Keller rutsche, griff er zur Gitarre und nahm gesanglich den Faden auf.
Seinen persönlichen „Scheinwerfer“ richtete Lüdecke auf die Demokratie. Mit Blick auf die Krisenherde in der Welt hält er Mäßigung für ein Muss der Stunde. In Berlin sei Demokratie so wichtig, man habe deshalb sogar doppelt wählen lassen. „Neulich haben sie einen Sack mit Stimmen für Walter Momper gefunden“, nahm er als Aufhänger, um den Altersdurchschnitt des Publikums abzuchecken.
Der war eher fortgeschritten angesiedelt, mit Blick auf Momper sicherlich ein Vorteil, denn Jüngeren wird der Mann mit dem roten Schal womöglich unbekannt sein. Lüdecke selbst hat mit dem Windecker Altersschnitt Schritt gehalten und ist darüber ergraut. Kein Wunder, denn er ist schon zum neunten Mal zu Gast. Für diese Treue erhielt er einen Extra-Applaus. Bestimmte Politiker-Typen regen jedenfalls seine Fantasie an und werfen Fragen auf, etwa die: Wie würde man in der Türkei reagieren, wenn Olaf Scholz nach dem nächsten Wahlsieg in Istanbul „Jesu bleibt meine Freude“ singend die Moschee hochklettern würde? Und Putin, der war ihm schon früher suspekt. „Ich möchte Olaf Scholz nicht oben ohne durch den Tiergarten reiten sehen.“
Das Publikum lud er zu Gedankenexperimenten ein. „Nehmen Sie an, Sie hätten ganz viel Zeit – das WLAN ist ausgefallen. Ich denke mal übers Leben nach. Fies ist, Sie können die Lösung nicht googeln.“ Oder so: Was wäre, wenn man Politiker nicht wählen, sondern auslosen würde? Man bekäme womöglich Politiker ohne gefälschte Doktorarbeit oder solche, die noch nie Kulis in der Fußgängerzone verteilt hätten.
„Wir können Meinungen zunehmend schlechter akzeptieren, wo nur dusselige Menschen um einen herum sind“, schlug ihm raunende Zustimmung entgegen. „Wenn es so ist“, überlegte der Kabarettist weiter, dann wäre die Demokratie nicht die beste Form, sie sei nicht effizient. Anschaulich wurde das am Beispiel: „Die Chinesen haben in einem Jahr 25 Flughäfen gebaut. Wir hatten auch mal einen, der sagte, wo es lang geht auf der Autobahn. Das ist lange her, seither ist nichts mehr passiert.“ Der Seitenhieb auf das Dritte Reich saß.
Der Mann aus Berlin sorgte sich darüber hinaus um die Bildung. Sogar seine Frau ist schon von Digital-Demenz betroffen, verursacht durch zu viele Sinneseindrücke pro Sekunde.
„Sie konnte sich nicht erklären, wie eine Sportlerin zur Terroristin werden konnte.“ Da waren bei der Gattin Ulrike Mayfahrt und Ulrike Meinhoff durcheinander geschwurbelt. Seine Kinder gingen auf eine bilinguale Schule, verriet er. „Sie können beide Sprachen nicht richtig!“ Berechtigt ist da wohl seine Frage: „Wird es besser?
Hoffen wir auf Berlin!“

 





Mitteilungsblatt Windeck, 19.08.2015


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